Monday, July 13, 2015

Klopps "stolzer Krieger" und sein trauriger Abgang

Für Jürgen Klopp war er ein "Krieger", auf den er "richtig Bock" hatte. Nur ein Jahr später endet das Missverständnis Ciro Immobile beim BVB. Warum Dortmund auf Ersatz für den Stürmer verzichtet.

Jürgen Klopp setzte in Turin auf Ciro Immobile. Der Stürmer hing aber zumeist in der Luft und blieb wirkungslos


Am Samstagmittag, als die Mannschaft wieder am Dortmunder Flughafen ankam, war Ciro Immobile nicht mehr dabei. Von Zürich aus, wo die Borussen-Profis nach ihrer Werbetour durch Japan, Malaysia und Singapur zwischengelandet waren, soll er weiter zu seiner Familie nach Italien geflogen sein. Und er dürfte darüber sehr erleichtert gewesen sein.
Diese sechs Tage, in denen er mit seinen Noch-Teamkollegen eine PR-Tour durch Asien absolvieren musste, hatten für den stolzen italienischen Stürmer einfach keinen Sinn mehr ergeben. Der Poker um seinen bevorstehenden Abgang zum FC Sevilla lief bereits – und wurde am Sonntag pefekt gemacht: Immobile, 25, wird nach nur einem Jahr in Dortmund an die Spanier ausgeliehen.
Für den BVB bedeutet dies, dass er auf die ursprünglich angestrebte Ablöse von 15 Millionen Euro zumindest vorerst verzichten muss. Stattdessen soll es eine Leihgebühr von drei Millionen geben. Aus Spanien und Italien ist zwar zu hören, dass auch ein anschließender Verkauf an Sevilla geplant ist. Über die genauen Details aber werde erst in den kommenden Tagen und Wochen gesprochen.
„Auf ihn können sich alle freuen. Er ist ein richtiger Krieger. Da hab ich jetzt Bock drauf.“
Jürgen Klopp
Der ehemalige Dortmunder Trainer bei der Verpflichtung von Ciro Immobile





Der Abgang von Immobile ist das Ende eines Missverständnisses. Und dürfte vom Italiener herbeigesehnt worden sein. In Fernostasien hatte er verständlichweise wenig Lust gehabt, noch für einen Verein, mit der er bereits innerlich abgeschlossen hatte, Werbung zu machen. Dies war ihm auch anzumerken.
Dabei es gab tatsächlich große Hoffnungen, als Immobile am 6. Juli 2014 mit einer dreiköpfigen Beraterdelegation in Dortmund gelandet war und einen Fünf-Jahres-Vertrag unterzeichnte. 18,5 Millionen Euro Ablöse musste er der BVB an die beiden Turiner Klubs FC und Juventus überweisen.
"Auf ihn können sich alle freuen. Er ist ein richtiger Krieger. Da hab ich jetzt Bock drauf", verkündete Jürgen Klopp über das vereinseigene TV. Und der stolze Krieger, gar nicht schüchtern, erklärte, er wolle bei der "Eroberung der Meisterschale" helfen. "Lewandowski zu ersetzen, ist keine Last, sondern ein Ansporn."

Der lange Schatten von Vorgänger Lewandowski

Damit hatte Immobile, ohne es zu wissen, schon zwei Gründe für sein späteres Scheitern genannt: Die allgemein überzogene Erwartungshaltung in Dortmund und der Schatten seines übermächtigen Vorgängers Robert Lewandowski. Der BVB hatte in den damals sechs Jahren unter Klopp zwar einige gewichtige Abgänge hinnehmen müssen – Nuri Sahin, Shinji Kagawa, Mario Götze – doch kein Spieler hat so eine große Lücke hinterlassen wie der polnische Weltklassestürmer. Ihn gleichwertig zu ersetzen, war, egal durch wen, unmöglich.
Die Dortmunder hatten über Jahre versucht, Lösungen zu finden: Sie haben, bis sie aus wirtschaftlichen Gründen aussteigen mussten, um internationale Topstürmer wie Diego Costa gebuhlt. Sie haben eine Verpflichtung von Mario Mandzukic erwogen. Sie glaubten, diesmal würde das typische BVB-Einkaufsmodell der vergangenen Jahre nicht weiterhelfen: Ein weithin unbekanntes Stürmertalent, der langsam in dem ihm zugedachte Rolle hineinwachsen würde. Es sollte ein anerkannter Torjäger mit einem renommierten Namen sein. Es wurde Immobile, der Torschützenkönig der italienischen Serie A.
Der Druck, der auf Immobile lastete, war gewaltig. Dies merkten Klopp und Sportdirektor Michael Zorc schnell. Sie versuchten, ihn zu stützen. Er brauche Zeit zur Eingewöhnung, mahnten sie an. Dies war schon in der Saisonvorbereitung unschwer zu erkennen.

Taktischer Kulturschock für den Italiener

Immobile erlebte einen taktischen und psychischen Kulturschock. "Wir spielen hier genau das Gegenteil von dem, was ich bisher gespielt habe", sagte er. In Dortmund werde "in jedem Spiel der Gegner attackiert, mit Pressing und Gegenpressing." In Turin dagegen hätte er sich nach Ballverlusten lediglich zurückfallen lassen müssen und auf den nächsten Angriff warten können.
Die Adaption der veränderten Spielweise und das frühere und aggressivere Stören der Gegner in der Bundesliga bereiteten ihm Probleme: Er, der lauernde Strafraumstürmer, musste sich in ungewohnten Defensivbemühungen aufreiben. Er musste plötzlich auch Kombinationsspieler werden. Denn obwohl Lewandowski nicht da war: Die Mannschaft spielte nach wie vor so, als wäre er es.
Speziell zu Saisonbeginn hielt Klopp trotzdem an Immobile fest, versuchte ihn durchzuziehen. Doch dann setzte diese ungewöhnliche und bedrohliche Talfahrt ein: Der Trainer zweifelte, ob er der verunsicherten Mannschaft noch einen Mittelstürmer zumuten konnte, der mit sich selbst Probleme hat. Immobile spürte das, das Selbstvertrauen des "Krieger" begann zu bröckeln.

Immobiles Bilanz: drei Tore in 24 Bundesligaspielen

Es ist schwer zu beurteilen, wann dann das finale Urteil gefällt worden ist. Immobile jedenfalls litt und machte den Fehler, dem Frust nachzugeben. Er gab Interviews, in denen er sich über die angeblichliche Kälte im Team beklagte. Er relativierte dies zwar schnell wieder, doch er hatte sich in die Defensive manövriert.
Hatte er zunächst noch mit Überzeugung dran gearbeitet, sich anzupassen, gab es in der Rückrunde kaum noch Entwicklungsschritte: Seine ernüchternde Bilanz: Drei Bundesligatore in 24 Spielen. In der Champions League, wo die Gegner offensiver spielten und ihm mehr Platz ließen, lief es besser: Dort traf er viermal in sechs Spielen. Das wiederum machte ihn, obwohl er in Deutschland längst als Fehleinkauf abgestempelt war, international interessant.
Zorc versuchte, Immobile zu verkaufen, um einen Teil der hohen Ablöse zu refinanzieren. Das Leihgeschäft ist nun vielmehr eine Schadenbegrenzung - in der Hoffnung, dass Immobile seinen Marktwert in der Primera Division wieder steigern kann.

BVB will keinen Ersatz

An die Verpflichtung eines neues Stürmers wird derzeit nicht gedacht. "Auf der abgebenden Seite ist mehr Bedarf als auf der aufnehmenden", sagte Zorc. Diese Gelassenheit ist nicht zur Schau gestellt: Der BVB verfügt mit Pierre-Emerick Aubameyang, dem einzigen Borussen, der in der vergangenen Saison konstant in guter Verfassung war, über einen guten Mittelstürmer.
Dem stets unbefangen wirkenden Gabuner gelang sogar auf gewisse Weise das, was eigentlich als unmöglich galt: Aus dem Schatten von Lewandowski herauszutreten. Aubameyang hat im Gegensatz zu Immobile erst gar nicht versucht, den Polen zu kopieren.

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