Friday, February 19, 2016

Kampl: "Ich bin kein Karim Bellarabi"




Den Donnerstagabend verbrachte Kevin Kampl - natürlich - vor dem Fernseher. Zunächst nervös, mit zunehmender Spieldauer dann ruhiger werdend angesichts der Leistung der Kollegen, denen er diesmal wegen der Gelbsperre aus der Gruppenphase der Champions League nicht helfen konnte. Dass ihn zusätzlich eine Mandelentzündung sowie Wadenschmerzen durch die vergangenen Tage begleiteten, machte die Sache nicht besser - der Auftritt Bayers beim 1:0-Sieg in Lissabon aber alles erträglicher.
Nun wartet Dortmund. Am Sonntag will Kampl fit sein, er weiß, was auf dem Spiel steht: "Wir brauchen nicht darüber nachzudenken, dass wir Dortmund noch auf die Pelle rücken können angesichts des großen Rückstands. Aber ein Sieg wäre wichtig, um Platz drei zu verteidigen und vielleicht ein paar Punkte auf die Konkurrenz gut zu machen."
Dortmund war der letzte Arbeitgeber des Slowenen, dessen fußballerische Grundausbildung in Leverkusen stattfand, ehe er über Osnabrück, Aalen und Salzburg den Weg zurück in die Bundesliga fand - zunächst zur Borussia. Das Engagement bei den Schwarz-Gelben stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Trainer Jürgen Klopp sah Kampl als Außenspieler, "aber das kann ich nicht. Ich bin kein Karim Bellarabi, der ständig die Außenlinie hoch und runter sprintet." Weil Klopp dies aber nicht sah, wurde Kampl zum Teilzeitarbeiter, die Höchststrafe für einen wie ihn, der eigentlich immer nur eines möchte: den Ball.
Den bekam er immer seltener, die Sache entwickelte sich zum Missverständnis und Kampl drohte der Karriereknick. Doch parallel zu dieser Entwicklung bohrte Roger Schmidt in Leverkusen ein dickes Brett. Der Trainer wollte Kampl und er ließ keine Gelegenheit aus, dessen Relevanz für sein System zu betonen. Als dann Gonzalo Castro und Heung-Min Son gingen, wurde der Weg frei für das Eigengewächs. Rund 11 Millionen Euro ließ Bayer sich den Profi kosten, den man selbst ausgebildet hatte und der war nur noch glücklich: "Vor fünf Jahren, als ich aus der Jugend kam, da habe ich in der Profikabine gesessen und mir so gewünscht, hier mal Stammspieler sein zu können. Und jetzt hat es geklappt." Mit Christoph Kramer, der einen ähnlichen Weg gehen musste, hatte er damals ausgemacht, dass man eben später mal gemeinsam in der Traditionsmannschaft spielen würde - nun trafen sich die beiden Solinger doch ein paar Jahre früher.
Kampl allerdings tut sich im System von Roger Schmidt leichter als der deutsche Nationalspieler. Er kennt es, beide arbeiteten in Salzburg zusammen. Mit Schmidt verbindet ihn einiges, vor allen Dingen dies: "Er hat mir vertraut. Und nichts ist für einen Spieler wichtiger als das Vertrauen des Trainers."
Er hat mir vertraut. Und nichts ist für einen Spieler wichtiger als das Vertrauen des Trainers.
Kevin Kampl über Bayer-Trainer Roger Schmidt

Er bekam es auch in ungewohnter Rolle: Weil in Leverkusen gedachte Stammspieler wie Lars Bender und Charles Aranguiz seit Monaten wegen Verletzung ausfallen, musste Kampl auf die Sechser-Position: "Eigentlich bin ich eher offensiv, Achter oder Zehner. Aber diese Position gefällt mir unglaublich, ich würde sie gerne behalten." Kampl versteht es wie kein Zweiter, Bälle zu klauen und schnell nach vorne zu verarbeiten. Der Blondschopf lernte defensiv enorm dazu, kleinere Stellungsfehler nimmt man gerne in Kauf, weil er enorm wichtig für das Gegenpressing ist, sich geschickt bewegt und die Bälle gefährlich in die Lücken passen kann.
Trotz Mandeln und Wade hofft er darauf, auch am Sonntag wieder glänzen zu können. Ihm geht es nicht um Genugtuung in Richtung BVB. Er hat längst eingesehen, dass es eben nicht geklappt hat. Und jeder, der sich ein wenig im Fußball auskennt, weiß heute, dass dies zuletzt an Kevin Kampl lag.
Frank Lußem 

No comments:

Post a Comment